Sonnenlicht dort, wo man es nicht erwartet.

Ungeachtet der Tatsache, dass die Welt böse, die Menscheit verkommen und das Konzept des intelligenten Lebens auf der Erde dem wohlverdientem Ende entgegen gefahren wird,  muss ich jetzt mal eine Geschichte erzählen, die vor ca. drei Jahren angefangen hat. Damals hat mein Vater eine Plastiktüte mit Fotochemie von der Fotobörse in Darmstadt mitgebracht und sie mir in die Hand gedrückt. Drin waren je zwei Probefläschchen HCD und DOM (keine Angst, wir kaufen keine synthetische Drogen, das sind Negativentwickler). Da die Furcht vor Neuem lange Schatten wirft und meistens auch Werwolfzähne hat, hat es ein Weilchen gedauert, bis ich mich dran gewagt habe, eine der Chemikalien auszuprobieren. Ich habe zwar die Gebrauchsanweisungen (mehrfach) gelesen, aber irgendwie kam ich nicht dazu (eher: ich traute mich nicht), die Flaschen zu öffnen, daran zu schnüffeln und meine Finger und Negative drin zu tunken. Irgendwann habe ich es dann doch gemacht, und vor allem war es der HCD, der mich völlig umgehauen hat. Ab da gabs für mich nur noch die edlen Spürsinntropfen. Das lief so vor sich hin, ich war beeindruckt, begeistert und alle anderen Superlative mit der Vorsilbe be-.

Irgendwann im letzten Sommer, ich saß im Zimmer, ölte ganzkörperflächig vor mich hin, weil heiss und schwül, klingelte mein Handy, und als ich es an mich nahm, sprach Michaels Stimme daraus. Frauke und er hätten meine Fotos aus Polen gesehen und würden sie ganz gerne ausstellen, so mit auf schönem Barytpapier ausbelichten und alll dem, was noch so dazu gehört. Als er den Satz beendete, trieb ich schon besinnungslos unter der Decke meiner Küche. Wenn sich jemand an mein FB-Post "Anruf des Jahres, ich brauche eine Bleikugel" erinnert, der weiß jetzt, warum. Ich habe, das ohne zu übertreiben, noch nie vor Begeisterung geschwitzt, bis zu diesem Telefonat. Völliger Wahnsinn. Irgendwann haben wir aufgelegt und ich habe anschliessend mit Hilfe eines Hypnotherapeuten versucht herauszubekommen, worüber wir gesprochen haben. Vorletztes Wochenende ging es dann los, mit dem Ausbelichten der Motive in Braunschweig. Und Leute - das waren in den letzten 4 Jahren die lehrreichsten 2,5 Tage. Ich habe in relativ intensiver Kurfassung die Geschichte von Braunschweig vor meinem gesitigen Auge gesehen (untermalt durch Erzählungen von Frauke und Michael), habe lecker bei Beyti gegessen und bin durch die Stadt gefahren worden (ist schön, das sage ich Euch), ich stand in Bergen von Negativen und Positiven und dachte nur: "Ah krass, das will ich ja auch noch machen, und genau das wollte ich auch noch ausprobieren, und und und....". Einführung in den Emulsionslift, Tipps für Cyanotypie, Erläuterungen zur Fotochemie und -Physik, Michaels Magie in der Dunkelkammer, meine Fotos endlich real. Realer als jeder Bildschirm oder digitaler Print, egal, wie gut ich sie schon gesehen habe. Ich habe unfassbar viel gelernt, aber auch den einen oder anderen Einlauf bekommen, völlig zu Recht, gebe ich ja zu, ich bin halt ein Belichtungsschlamper, ich habe nicht wirklich ein fotografisches Konzept, und eigentlich mache ich es nur aus Spaß...  Wenn jemand den wunderbaren Anime "Akira" kennt, der kann sich die "Disziplin! Klatsch! Disziplin! Klatsch! Disziplin! Klatsch!"-Szene mit mir in allen untergeordneten Rollen ausmalen. Und die Klatscher haben aber auch sowas von gesessen.... aber ja, es wirkt... Und siehe da, es deckt sich zu 100% mit dem, was mir mein Vater und seine Fotografenkollegen vermitteln wollten. Klar, Oldschool. Und mit solchen Leuten, die mich lehren, unterstützen, mir zur Seite stehen, mir zeigen, wie sehr man dafür, was wir tun, brennen kann, ist die Welt ein kleines bißchen besser. Mir scheint, mit Verlaub, die Sonne aus dem Allerwertesten. 

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