Gefühlstennis im Selbsterfahrungskino

"Und wie wars? Wie wars?" - die Frage habe ich in den letzten 2 Wochen einige Male gehört und habe versucht, darauf eine einigermaßen verständliche Antwort zu geben. Mit "schön" habe ich immer angefangen, nahm semantisch eine gewundene Passtraße durch die Erinnerungen und beendete den Exkurs meist mit den Satz: "Aber Alter, ich war in meinem Leben noch nie so aufgeregt." Die Tage vor der Vernissage waren ja erstmal Arbeit und Vorbereitungen, Anne, die Kuratorin, musste die Bilder rahmen und hängen, ich musste die Texte nochmal anpassen, korrigieren und ganz genau zwei Fehler und eine Doppelung übersehen, Frauke und Michael haben nochmal auf die Werbetube gedrückt, an der Trommel gerührt und dann auch noch wunderbare Drucke zweier Fotos aus der Ausstellung organisiert. Da war die Aufregung noch ein dezentes Ziehen in der Wirbelsäule. Der Tag direkt davor ging dann auch noch gefühlsmäßig vom Feeling her, da war Zeit für Sightseeing und zu viel Alkohol mit meinen liebsten Mitmenschen. Ertränkt in Eindrücken hatte die Aufregung noch keinen Platz, um laut in meinem Kopf zu schreien, oder den schnellsten Rollercoaster in meinen Innereien anzuschieben. Aber der Sonntag!!! Der Tag des Herren und es fühlte sich an, als ob seine Ankunft nahe stünde. Der Himmel verdunkelte sich, ein kalter Wind raste aus dem Osten und wenn man mir an dem Tag zugehört hätte, wäre der Chef-Exorzist innerhalb einer Stunde aus dem Vatikan eingeflogen. Das war kein Deutsch mehr, das war ein längst ausgestorbener Dialekt, der auch schon damals nicht verstanden worden wäre. Dabei war es eigentlich nur eine kleine Ausstellung, mit 20 Bildern, die ich letztes Jahr in Polen gemacht habe. Wahrscheinlich kein Grund aufgeregt zu sein, aber beim ersten Mal muss man noch nicht den Chuck Norris der Vernissagen geben. Und Gäste sind auch gekommen! Gäste, die mich nicht persönlich kennen oder die ich bezahlt habe, damit sie kommen. Und ich konnte Menschen treffen, die ich bis dahin nur über die digitalen Spielplätze kannte, auf denen wir uns alle zur Zeitvernichtung tummeln. Und es kamen sogar welche, die ich letztes Jahr in Österreich kennengelernt habe. Es war mit Sicherheit keine Massenveranstaltung, immerhin war Wetter öde und Braunschweig hat verloren. Beides Ereignisse, die man sich erstmal ein bißchen schön trinken muss. Aber es war ein gutes Gefühl zu sehen, dass es für manche, selbst wenn die Fotos zum größten Teil sehr persönlich sind, interessant genug war, sie zu sehen. Ein ganz großes Gefühlstennis in sehr großem Selbsterfahrungskino. Daher danke noch ein Mal an Frauke, Anne und Michael für die Idee und die Arbeit, die sie da hinein gesteckt haben, und danke an alle für den größten Tag des Jahres. 

Und natürlich wollte ich da Fotos machen, und natürlich konnte ich auch neue alte Chemie darauf ausprobieren. Und diese hat dem Tri-X bei ISO1600 und 3200 sehr gut getan. Da hier nur die Fotos zu sehen sind, die unmittelbar mit der Ausstellung zu tun haben, sind dort und dort alle anderen zu sehen, die ich in der Stadt des Löwen gemacht habe. Irgendwie mag ich es da.

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